Fragen der Frontal 21 Redaktion an Patientenanwalt Dr. Kirchhoff
Zur Sendung vom 17.02.2015
"Häufig erleben wir, dass Patienten gegenüber nach einer Krankenhausinfektion pauschal
behauptet wird, Infektionen seien schicksalhaft", berichtet der renommierte Patientenanwalt
Burkhard Kirchhoff. "Sie sind es nicht." Schicksal sei, ob man in einer hygienisch
gut organisierten Klinik behandelt werde oder in einem Krankenhaus mit großen Problemen
- und damit höheren Infektionsgefahren für den Patienten. Kirchhoff ist auf die Vertretung
von Krankenhauskeim-Opfern spezialisiert. Er betreut bundesweit mehrere hundert solcher
Fälle pro Jahr.
Redaktion Frontal 21: Wie groß ist die Gefahr einer Infizierung?
Patientenanwalt Dr. Kirchhoff: Dieses Risiko hängt von der Art des Eingriffes, der
individuellen Risikosituation des Patienten und von der Qualität der Hygiene-Struktur
und damit der Patientensicherheit einer Klinik ab. Diese Qualität ist nicht in allen
Kliniken gleich, es gibt gute Häuser, aber auch Kliniken, die die für die Patientensicherheit
wichtigen, inzwischen strengen Hygiene-Gesetze eben nicht eins zu eins respektieren.
Redaktion Frontal 21: Worauf sollte ich in der Klinik achten?
Patientenanwalt Dr. Kirchhoff: Als Patient ist es schwierig, sich über die Qualität
der Hygiene und der Infektionssicherheit eines Krankenhauses zu informieren. Formale
Aspekte wie die Teilnahme am Krankenhausinformationssystem (KIS) oder an einem regionalem
MRSA-Netzwerk sind natürlich kein Nachteil, sie beweisen aber für sich noch nicht,
dass die Hygiene-Vorschriften auch wirklich alle eingehalten werden, genug Personal
beschäftigt wird und so weiter. Auch die von der Politik und Vertretern der Klinik-Lobby
immer wieder angepriesenen Qualitätsberichte sind für mich nicht das Maß der Dinge.
Ich habe in unseren Prozessen noch keine Klinik erlebt, die bei bestehenden Problemen
in baulicher Hinsicht oder einer veralteten Instrumenten-Aufbereitung diesen Aspekt
in ihrem Qualitätsbericht erwähnt hat. Zur Hygiene findet man in den Qualitätsberichten
nicht immer aufschlussreiche und ausnahmslos wahrheitsgemäße Angaben. Papier ist
geduldig, auf die Taten kommt es an.
Redaktion Frontal 21: Kann ich mich über die Klinik vorher informieren?
Patientenanwalt Dr. Kirchhoff: Man kann sich eine Klinik vor einem Eingriff ansehen,
wobei man resistente Keime und Fehler in der Hygiene-Struktur als Patient ohne spezielles
Wissen kaum erkennen kann. Schöne Zertifikate im Klinikfoyer sind noch kein Beweis.
Der Aspekt der Hygiene sollte vor einem Eingriff bei dem Arzt des Vertrauens in der
Klinik angesprochen werden. Man kann fragen, ob eine Infektionsstatistik geführt
wird und wie oft das Gesundheitsamt Begehungen macht. Man kann fragen, ob die nach
der Landesverordnung und dem Infektionsschutzgesetz erforderliche Zahl an Hygiene-Fachkräften
beschäftigt wird.
Redaktion Frontal 21: Was tun, wenn ich klagen will?
Patientenanwalt Dr. Kirchhoff: Den Verlauf genau dokumentieren, Fotos der Entwicklung
einer Wunde machen, Namen von Zeugen notieren, ein "Tagebuch" zum Verlauf führen.
Nicht in Panik verfallen, wichtig ist es, gesund zu werden. Die Klärung der Erfolgsaussichten
einer Klage sollte dann anschließend in Ruhe durch einen auf dem Gebiet der Krankenhausinfektionen
spezialisierten Rechtsanwalt erfolgen, der dann die erforderlichen Schritte empfiehlt.
Der Anwalt klärt regelmäßig auch die meist problemlose Kostenübernahme durch einen
Rechtschutzversicherer.
Redaktion Frontal 21: Wie groß sind die Erfolgschancen bei einer Klage?
Patientenanwalt Dr. Kirchhoff: Die Chancen für die Patienten haben sich in den letzten
Jahren deutlich verbessert. Wir prüfen in den Verfahren gegen die Kliniken immer
zwei Aspekte: Die Frage der Verantwortlichkeit für die Infektion als solche (beherrschbares
Risiko). Zum Zweiten die Frage, ob rechtzeitig auf die Infektion reagiert und diese
leitliniengerecht behandelt wurde.
Nach der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes gehört die Umsetzung der KRINKO-Empfehlungen
zum medizinischen Standard. Kliniken mit einer problematischen Hygiene-Organisation
werden im Prozess Probleme bekommen, die Einhaltung des medizinischen Standards darzulegen.
Dazu ist nämlich mehr erforderlich als der Satz: "Wir halten alle Hygiene-Vorschriften
ein". Bei groben Hygiene-Mängeln kann eine Beweislastumkehr greifen, die Klinik muss
dann beweisen, dass die Infektion nicht vermeidbar war. Im Detail sind viele Rechtsfragen
umstritten. Grundsätzlich gilt: Jeder Fall ist individuell gelagert und deshalb auch
für sich zu betrachten. Wichtig ist, dass der Anwalt auf eine fachlich geeignete
Begutachtung drängt. Chirurgen, Kardiologen oder Orthopäden sind eben keine Fachärzte
für Hygiene und Mikrobiologie.